Die Entstehung des Tango Argentino

Vor der Einwanderung

Wirtschaftliche und politische Hintergründe

In Europa brachte die Industrielle Revolution sowohl Massenarbeitslosigkeit und Armut als auch einen dringenden Bedarf an Rohstoffen, Rohstoffproduzenten und neuen Absatzmärkten mit sich, um die neuen Produktionsmöglichkeiten ausschöpfen zu können.

In Argentinien versuchten ab Mitte der 1850er liberale Intellektuelle und Politiker das Land mit ihrem Leitspruch „gobernar es poblar“ (regieren heißt bevölkern) modernisieren und bevölkern. Sie trieb der Wunsch nach kultureller und wirtschaftlicher Entwicklung an . Eine der ersten Maßnahmen war die gewaltsame „Befriedung“ der Pampa was eine fast gänzliche Ausrottung der dort lebenden Indios bedeutete, damit sich dort Europäer ansiedeln konnten, die als kulturell höherstehend betrachtet wurden. Gleichzeitig versprach die argentinische Propaganda, die teilweise mit der Bezahlung der Überfahrt lockte, Arbeitsplätze und Landverteilung für die Einwanderer. Gedacht hatten die Regierenden dabei an Ingenieure, Unternehmer, ausgebildete Arbeiter und Gelehrte, die als kulturell wirtschaftliche Injektion  Argentinien zu einem modernen Staat europäischen Vorbilds verwandeln sollten.

Die Einwanderung

Die ersten Einwanderer kamen im Hafen von Buenos Aires um 1854 an, trafen dort aber auf ganz andere Umstände als erwartet: Nach der Befriedung der Pampa teilten sich nämlich Großgrundbesitzer das „frei“ gewordene Land unter sich auf, so dass die Preise dafür in die Höhe schnellten und also unerschwinglich für die Neuankömmlinge wurde. Alle Versuche einer Landreform scheiterten am Widerstand der Landbarone.

Demographische Explosion

Das Werben für den aufstrebenden Staat zeigte Erfolg: Millionen von Einwanderer verließen ihre Heimat in der Hoffnung auf ein neues, besseres Leben. So wuchs die Einwohnerzahl Argentiniens von 1,8 Millionen 1869 auf 8 Millionen im Jahr 1914. Und Buenos Aires verneunfachte sich von 230000 auf 2 Millionen Bewohner, von denen die Hälfte Ausländer waren .

Zwar traten viele wieder die Rückfahrt an, nachdem sie gesehen hatten, dass wegen der Bodenspekulationen kein Land mehr erworben werden konnte und es auch zu wenig Arbeitsplätze in der unterentwickelten Industrie gab. Doch erreichten immer neue Immigrationswellen den südamerikanischen Kontinent.

Wer und woher waren die Einwanderer?

Die Einwanderer stammten hauptsächlich aus Europa und zwar zu großen Teilen aus Italien, aber auch aus Spanien, Frankreich, England, Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland. Einige brachen auch aus dem vorderen Orient nach Argentinien auf.
Die meisten kamen aus verarmten ländlichen Gegenden , waren oft ungelernte Arbeiter, die – ohne Geld, oft auch ohne Ausbildung, Beruf und Bildung – überhaupt nicht dem erwünschten Idealtypus des Einwanderers entsprachen.

So wurden beide Seiten enttäuscht: Die einheimischen Politiker, die eine Art kultureller und wirtschaftlicher Elite erwarteten und die Immigranten, die davon träumten Land zu bekommen oder gute Arbeit zu finden und die Familie nachkommen zu lassen, um ein neues Leben zu beginnen.

Soziale Situation

Eine weitere Absicht der Bevölkerungspolitik kehrte sich auch in ihr Gegenteil um, denn fast alle Neuankömmlinge ließen sich in Buenos Aires nieder und nicht in den ländlichen Regionen. Dazu kamen noch die Gauchos , die wegen der Umzäunung des aufgeteilten Landes und der Modernisierung der Landwirtschaft ihre Arbeit verloren, als Binnenmigranten in die Hauptstadt kamen und nach neuer Beschäftigung suchten.

Die Lebensbedingungen in den Conventillos, den immer überfüllten Massenunterkünften mit wenigen sanitären Anlagen und schlechten hygienischen Zuständen, waren katastrophal . In den arrabales gelegen, waren die Conventillos von etwa 70% Ausländern, aber auch kreolischer Landbevölkerung bewohnt. Ohne große Zukunftsaussichten, in einer Situation enormer Unterbeschäftigung, verdienten sie ihr Geld als Hilfsarbeiter, Hafenarbeiter, Tagelöhner, Dienstpersonal und Handwerker .

Ab etwa 1850 bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts fand in Argentinien und Uruguay ein gesellschaftlicher Gärungsprozess statt , bei dem zwar die Herrschaftsverhältnisse nicht grundsätzlich verschoben wurden, da Großgrundbesitz, Finanz und Handel in der Hand von Familienclans blieben, jedoch in anderen Bevölkerungsschichten ein harter Verdrängungswettbewerb und Überlebens- und Verteilungskampf stattfand. Dabei traten die vielen Konflikte und Widersprüche der argentinischen Gesellschaft offen zu Tage: Zwischen Einwanderern und Einheimischen, zwischen qualifizierten und ungelernten Einwanderern, zwischen eingewandertem und kreolischem Landproletariat, zwischen Einwanderern und deren Kindern. Nicht zuletzt gab es auch unterschiedliche politische Auffassungen . Ohne politische und ökonomische Teilhabe, in einem Umfeld sozialer, ethnischer und gesellschaftlicher Spannungen entstand eine Atmosphäre, die von Heimweh, Entwurzelung, Frustration und Bitterkeit geprägt war.

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